
Foto: Hans-Willi Weis
Berlin (kobinet) Literaturbeilage
Dr. Hans-Willi Weis
Zu Tode gesiegt?
Niemand spricht heute mehr von sexueller Revolution. Sie hierzulande zu fordern käme einem Anachronismus gleich in Anbetracht einer noch vor 50 Jahren gänzlich undenkbaren Freiheit der sexuellen Ausdrucksformen sowie einer mittlerweile ganz selbstverständlichen Freizügigkeit im Umgang mit Verhaltensabweichungen bei der sexuellen Orientierung, wie das kultivierte Mainstreamparlando die Sache kulturwissenschaftlich neutral und zugleich vollkommen unaufgeregt zu bezeichnen sich angewöhnt hat. Der Ruf nach einer sexuellen Revolution mag gegenwärtig höchstens noch in jenem Buchtitel Seyran Ates plausibel erscheinen, der sie unlängst für die „islamische Frau“ gefordert hat und dem die beabsichtigte Provokationswirkung nur mehr in Kreisen islamistischer Fundis einigermaßen sicher sein dürfte. – Wenn in den fortgeschrittenen Gesellschaften Europas und Nordamerikas zurückliegend sich wirklich so etwas wie eine sexuelle Revolution vollzogen hat – und die empirischen Befunde aus den vergangenen Jahrzehnten sprechen dafür – , dann hat sie so gründliche Arbeit geleistet, die vormaligen Verhältnisse – die zwischen den Geschlechtern, die sexualmoralisch normativen und die erotisch phantasmatischen in den Köpfen – derart nachhaltig umgewälzt, dass nicht länger mehr Bedarf nach irgendwelcher sexuellen Revolutionierung empfunden wird und der Begriff selbst seit langem außer Mode gekommen ist.







































